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Zentrale Methoden der Schematherapie

Zentrale Methoden der Schematherapie

Zentrale Methoden der Schematherapie

1. Emotionsaktivierende Strategien:

Die Erlebnisaktivierung oder Emotionsaktivierung bei Patient*innen ist ein tragendes Wirkprinzip der Schematherapie. Zentrale erlebnisaktivierende Methoden sind die Imagination und der Stuhldialog.

Imagination

Zumeist begeben Menschen sich in psychotherapeutische Behandlung, weil sie unter intensiven schmerzhaften Gefühlen leiden (Kind-Modi). Ausgehend von einer solchen starken emotionalen Aktivierung im Rahmen einer aktuellen Alltagssituation des Patienten / der Patientin, lässt die Imagination eine belastende Situation aus der Kindheit aufkommen. Das Vehikel für diese „Reise in die Vergangenheit“ ist dabei der momentane Affekt (Gefühl + Körperempfindung) des Patienten / der Patientin, der dem Affekt in der kindlichen Situation gleicht, beziehungsweise mit diesem über neuronale Netzwerkstrukturen verbunden ist. Bei einer aktuellen emotionalen Aktivierung ist der Zugang zu biografischen Erlebnissen und Verletzungen dadurch erleichtert, dass entsprechende neuronale Netzwerke aktiviert sind und somit geradezu auf Ansprache warten. Dies führt dazu, dass durch die gezielte Instruktion, sich von diesem momentan fokussiert erlebten Affekt „zurückleiten“ zu lassen, bis ein inneres Bild ganz von selbst auftaucht, eine bedeutsam prägende Situation aus Kindheit oder Jugend zugänglich wird, und im Rahmen dieser Aktivierung erlebt und bearbeitet werden kann.

In der Schematherapie unterscheiden wir verschiedene Arten der Imagination (beispielhafte Instruktionen für die Praxis als PDF zum Download hier):

  • Diagnostische Imagination (auch: emotionale Exposition)
  • Imaginatives Überschreiben
  • Ressourcenaktivierende Imagination

Bei der diagnostischen Imagination wird ausgehend von einem, in einer aktuellen Ausgangssituation aktivierten Gefühl, das zunächst benannt, im Körper lokalisiert und fokussiert wird, das Zurücktreiben in die damit verbundene Kindheitssituation angeleitet. Die Kindheitssituation wird durch gezielte Fragen szenisch lebhaft wiedererlebt. Der Therapeut oder die Therapeutin lenkt auf den emotional belastendsten Aspekt der Situation hin und hält den Patienten / die Patientin durch stetige Fragen im Gefühl bis dieses sehr intensiv (aber nicht überflutend) erlebt wird.

Erst beim imaginativen Überschreiben wird an dieser Stelle das frustrierte emotionale Grundbedürfnis des Kindes identifiziert und gesund erwachsen befriedigt. Der Patient / die Patientin selbst, eine helfende Figur oder der / die Therapeut*in kommt als gesunde/r Erwachsene/r in das Bild, um die Situation so zu verändern, dass dysfunktionale fordernde oder strafende Bezugspersonen konfrontiert und entmachtet und die Grundbedürfnisse des Kindes validiert und befriedigt werden (gleichbedeutend mit Nachbeelterung). Das Erleben, das dadurch beim Kind entsteht, wird verglichen mit dem ursprünglichen Gefühl im Zusammenhang mit der Bedürfnisfrustration. Das am Ende veränderte Erleben wird als Bild und Körperanker gespeichert und „mitgenommen“ in die aktuelle Alltagssituation des Patienten / der Patientin. Der Therapeut / die Therapeutin leitet nun dazu an, mithilfe des veränderten Erlebens und der in der Imagination gewonnenen Erkenntnisse entsprechende Selbstversorgung und Handlungsentwürfe im Hier und Jetzt zu entwickeln. Diese werden real angewandt und in ihren Effekten auf die Patientin / den Patienten und ggf. das Umfeld geprüft. Im nächsten Schritt kann ein allgemeiner gültiger Merksatz formuliert werden, der das Verhalten in künftigen ähnlichen Situationen erleichtern soll.
„Überschreiben“ (Rescripting) bedeutet also eine Veränderung der Situation bei starker emotionaler Aktivierung (also aktivierten neuronalen Netzwerkstrukturen). Es wird eine Alternative angelegt zu dem, was der Patient / die Patientin erlebt hat und kennt. Hier ist so gut wie alles möglich, was für den Patienten / die Patientin hilfreich ist. Bezugspersonen werden zurecht- bzw. in die Schranken gewiesen / einer professionellen Behandlung zugeführt oder den Behörden übergeben, Täter werden (ggf. auch handgreiflich) in die Flucht geschlagen, das Kind wird in Sicherheit gebracht, die Polizei wird gerufen, es wird für das Kind eine entspannte, ruhige, sichere oder fröhlich-ausgelassene Situation hergestellt, immer in Abhängigkeit davon, welches Grundbedürfnis zentral verletzt wurde und nun angemessen befriedigt werden soll.
Bei instabilen Patient*innen oder wenn die innere Anspannung im Rahmen der diagnostischen Imagination zu hoch wird, sollte der emotionalen Exposition immer direkt ein Überschreiben folgen.

Die ressourcenaktivierende Imagination zielt darauf ab, Facetten des Modus des Gesunden Erwachsenen und des Glücklichen Kindes zugänglich zu machen – fast alle Patient*innen haben in ihrer Kindheit auch positive Erfahrungen mit Bezugspersonen gemacht, die als Introjekte auch im Hier und Jetzt existieren (selbst wenn sie nur rudimentär sind).
Auch hier gehen wir von einer aktuellen Situation aus dem Alltag des Patienten / der Patientin aus. Eine Situation, in der Gefühle von Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, Geborgenheit, Leichtigkeit, Beschwingtheit und/oder Kompetenz vorherrschen. Mit diesem Gefühl und dem damit verbundenen Körperempfinden leitet der Therapeut / die Therapeutin den Patienten / die Patientin über die Affektbrücke in eine Kindheitssituation. Die Szenerie wird lebhaft erlebt, das Gefühl und die Körperempfindungen sehr intensiv gespürt. Der Patient /die Patientin erkundet mithilfe gezielter Fragen des/der Therapeut*in die Bedingungen, die zu dem angenehmen Gefühl geführt haben und leitet ab, was notwendig dafür ist, sich zufrieden, ausgeglichen, geborgen usw. zu fühlen. Das gute Gefühl und die dafür notwendigen Bedingungen werden im Inneren abgespeichert, um sie im Hier und Jetzt bewusst abrufen zu können.

Stuhldialog / Stühlearbeit

Die Anwendungsmöglichkeiten des Stuhldialogs sind sehr vielfältig (beispielhafte Instruktionen für die Praxis als PDF zum Download hier).

Gemeinsam ist allen Variationen, dass Therapeut*innen den Patient*innen unterschiedliche Stühle anbieten, zwischen denen sie wechseln, um die unterschiedlichen Modi voneinander zu differenzieren und miteinander in Kontakt kommen zu lassen. Der innere Dialog wird laut nach außen gebracht. Dies aktiviert Emotionen, regt Widerstand an (im Sinne eines Zugangs zum Modus des Gesunden Erwachsenen) und erleichtert eine Distanzierung vom sonst mehr oder minder unbewusst und automatisch agierenden inneren System. Die aktive und lebhafte, teils sogar plastische Entmachtung fordernder und strafender Modi wird möglich: Sie werden verbal konfrontiert, attackiert, zurechtgewiesen und/oder widerlegt und dann ggf. des Platzes verwiesen, indem die Position ihres Stuhls im Raum verändert wird oder der Stuhl vor die Tür gesetzt wird. Es besteht auch die Möglichkeit, z. B. um sich mit emotional gehemmten Patient*innen der Methode anzunähern oder als Tool für die Patient*innen für zu Hause zwischen den Sitzungen, mit „Stellvertretern“ zu arbeiten, also mit Spielzeugstühlen und Puppen/Figuren. Mit diesem Material wäre auch denkbar, dass ein Stuhl demoliert oder aus dem Fenster geworfen wird. Schematherapeut*innen dürfen kreativ sein!

Stühlearbeit in der Diagnostikphase kann so aussehen, dass immer ein neuer Stuhl aufgestellt wird, wenn ein Modus im Gespräch mit dem Patienten / der Patientin auftaucht bzw. dem Therapeuten / der Therapeutin auffällt. So entsteht ein räumliches äußeres Bild des inneren Systems, mit dessen Hilfe das individuelle Modusmodell (die „Modus-Landkarte“) des Patienten / der Patientin und schließlich auch das Fallkonzept erstellt werden können. Der Stuhl wird aufgestellt und benannt. Hierbei ist es auch möglich, dass der Patient / die Patientin dem entsprechenden Modus direkt einen individuellen (möglichst anschaulichen) Namen gibt.

Die Regulation von Bewältigungsmodi mittels Stühlearbeit erlaubt es Therapeut*innen einzugreifen, wenn ein Bewältigungsmodus in der Sitzung aktiv im Vordergrund ist und therapeutisches Weiterkommen somit nicht möglich ist (siehe auch Empathische Konfrontation) oder Patient*innen von Begebenheiten aus ihrem Alltag berichten. Zum Beispiel könnte ein Distanzierter Beschützer Modus in diesem Moment benannt und auf einen separaten Stuhl gesetzt werden. In einem ausführlichen Interview wird der Modus zunächst nach den Hintergründen seiner Entstehung gefragt, dann ausführlich dafür validiert, dass er in seiner Ursprungssituation sehr wichtig (in manchen Fällen überlebenswichtig) für den Patienten / die Patientin gewesen ist. Im nächsten Schritt wird im geleiteten Entdecken unter Beachtung aller Vor- und Nachteile des Bewältigungsverhaltens aufgezeigt, inwiefern der Modus im heutigen Leben des erwachsenen Patienten / der erwachsenen Patientin nicht mehr hilfreich oder sogar schädlich geworden ist. Der Therapeut / die Therapeutin bittet den Modus einfühlsam, sich in diesen Momenten zurückzuziehen, um es dem Therapeuten / der Therapeutin zu ermöglichen, sich fürsorglich und nährend den Kind-Modi zu widmen. Allgemein gesagt wird im Rahmen dieser empathisch konfrontierenden Stühledialoge der Patient / die Patientin eingeladen, den Autopiloten momenteweise zu verlassen und neue Verhaltensweisen auszuprobieren, um bestimmte nachteilige Auswirkungen von Bewältigungs-Modi nicht mehr zu erleben und stattdessen zentrale Bedürfnisse befriedigen zu können.

Die Stühlearbeit zur Identifikation und Aktivierung von Kind-Modi beinhaltet, dass der Patient / die Patientin auf einem kleineren Stuhl, einem Kinderstuhl, Platz nimmt und einem fordernden oder strafenden Modus direkt ausgesetzt wird – der sonst schützende Bewältigungs-Modus also ausgeschaltet wird (sein Stuhl wird vor dem Kinderstuhl weggenommen), sodass die kindliche Emotion spürbar wird. Diese emotionale Aktivierung ähnelt der im Rahmen einer Imagination und hat ebenfalls zum Zweck, dass sich der Modus des Gesunden Erwachsenen regt, der dann dem Kinderstuhl schützend zur Seite gestellt wird, den dysfunktionalen Elternmodus entmachtet und den Kind-Modus versorgt.

Im weiteren Verlauf der Schematherapie kann dann im Grunde jede schwierige Alltagssituation und jeder Konflikt des Patienten / der Patientin als Ausgangspunkt für eine auf Veränderung abzielende Stühlearbeit genommen werden. Der Patient / die Patientin nimmt die unterschiedlichen Positionen (Bewertungen und Abwertungen der Eltern-Modi, Gefühle des Kindes, moderierende Sicht des Erwachsenen) im Wechsel ein, kommt ins emotionale Erleben und erkennt klarer die unterschiedlichen inneren Regungen, kann diese einordnen und sehr bewusst neues gesund erwachsenes Verhalten einüben, was für die Etablierung des neuen Verhaltens entscheidend ist. Diese Methode ermöglicht tiefergreifende und nachhaltigere Effekte als das klassische therapeutische „darüber reden“, da die Patient*innen emotional stark aktiviert werden.

Körperarbeit

Die Körperarbeit sollte im Grunde jede schematherapeutische Intervention begleiten.
Durch immer wieder gezieltes Nachfragen lernen Patient*innen, ihre Modi anhand ihrer somatischen Ausdrucksform achtsam zu erkennen, was es ihnen im Alltag leichter macht, verändernd in das innere System einzugreifen. Auch der Modus des Gesunden Erwachsenen wird im Körper verankert, was einen Wechsel in diesen Modus erleichtert. Auch innerhalb eines Stühledialogs oder einer Imagination kann die Aktivierung des Gesunden Erwachsenen deutlich erleichtert werden, indem Patient*innen zur Nutzung des Körpers angeleitet werden. Sich aus einer gebeugten Haltung gerade aufzurichten oder tief durchzuatmen und die Schultern zu lockern, kann den Wechsel zu einer aufrechten erwachsenen Haltung frei von Spannungen sehr gut bahnen.

2. Kognitive Strategien:

Methoden der klassischen kognitiven Umstrukturierung sind im Grunde Teil von Stühledialogen und/oder ergänzen diese und beinhalten:

  • Das Zutreffen von Schemata zu prüfen: Beweise sammeln, ggf. Beweise umdeuten
  • Die Validierung der Bewältigungsmodi und die anschließende Beurteilung ihrer Vor- und Nachteile (Kosten-Nutzen-Abwägung)
  • Den Dialog zwischen Schemaseite und gesunder Seite

Das Modusmemo ist ein Arbeitsblatt zur Anwendung in emotional belastenden Alltagssituationen des Patienten / der Patientin zwischen den Sitzungen: Es ergänzt die Stühledialoge aus den Sitzungen und erweitert diese, erleichtert dem Patienten / der Patientin den inneren Dialog und den Moduswechsel sowie die Etablierung funktionaler Verhaltensweisen im Alltag.
Das Modusmemo unterstützt das selbstständige Einüben der in der Therapie entwickelten günstigeren Verhaltensweisen im Sinne des sogenannten BEATE-Schemas von Eckhard Roediger:

  • Benennen von Gefühlen und Impulsen in der aktuellen Situation
  • Erkennen der zugrunde liegenden Modi (und/oder Schemata bzw. biografischen Erlebnisse)
  • Anerkennen der früheren, heute aber überholten Funktionalität der Bewältigungs-Modi mit Wechsel auf die Ebene des Gesunden Erwachsenen, der die emotionalen Grundbedürfnisse wahrnimmt und versorgt
  • Trennen von den alten Bewältigungs-Modi, deren Impulse wahrgenommen, aber auch weiterziehen gelassen werden
  • Einbrennen des neuen, günstigeren, gesünderen Verhaltens

Abgesehen von der Eselsbrücke, die das Akronym „BEATE“ für Patient*innen liefert, ist es zugleich eine Motivationshilfe: Beate bedeutet „die Glückliche“.

Erinnerungsobjekte können im Prinzip alles sein von einer Merkkarte mit einem individuellen Merksatz über ein idiosynkratisches Symbol (z. B. ein Stein als Erinnerung daran, dass der Patient / die Patientin für niemanden nahbar ist und niemand seine / ihre Bedürfnisse befriedigen kann, wenn er / sie sich emotional unzugänglich zeigt) bis hin zu einem Kinderfoto des Patienten / der Patientin als Bildschirmhintergrund o. ä. Diese Erinnerungsobjekte wirken dem starken Autopiloten und dem nach Streben alter Muster nach Erhalt entgegen und erleichtern so den Transfer von Therapieergebnissen in das reale Alltagsleben des Patienten / der Patientin.

3. Behaviorale Strategien:

Die behavioralen Strategien gleichen im Grunde dem Vorgehen einer klassischen kognitiven Verhaltenstherapie (nur das im Fokus sehr viel stärker auf die emotionale Beteiligung des Patienten / der Patientin geachtet wird):
Therapeut*in und Patient*in stellen diejenigen Verhaltensweisen oder -muster zusammen, die verändert werden sollen und beschreiben sie detailliert. Zudem werden die auslösenden Situationen identifiziert. Das gewünschte Zielverhalten wird konkret benannt und beschrieben. Dieses gewünschte neue Verhalten wird in Imaginationen, Stühlearbeiten und ggf. Rollenspielen wiederholt unter emotionaler Beteiligung eingeübt.
Gegebenenfalls kann es auch notwendig sein, dass mit Unterstützung des Therapeuten / der Therapeutin Schritt für Schritt die (womöglich stark auf stetige Bestätigung maladaptiver Schemata ausgerichteten) Lebensumstände des Patienten / der Patientin verändert werden, ggf. auch umfänglich.

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